X Architekten

Wohnanlage Judenau 

Standort: Wienerwaldstraße 10, Judenau

Lage, Situation

Angetrieben durch Wirtschaftskraft und Ausbau der Infrastruktur wachsen im Vierländerdreieck Ungarn, Slowakei, Tschechischien und Österreich (Centrope) nicht nur die Städte, sondern auch die ländlichen und suburbanen Gebiete. Für die alten, unglaublich schönen Dorfkerne ist das gute Gelingen von nachträglicher Verdichtung und Erweiterung von wesentlicher Bedeutung für die Zukunft. Das gegenständliche Dorf Judenau liegt im Westen von Centrope und verfügt seit kurzem über den neuen Bahnhof Tullnerfeld, von welchem aus das Zentrum von Wien in einer halben Stunde erreichbar ist. Judenau besteht aus einem bäuerlich geprägten Ortskern, welcher mit einem aus dem xy Jhdt. stammenden Schloss zu einem einzigartigen kleinstädtischen Raumgebilde verwoben ist. Die alten Gebäude des Dorfs sind von der Straße weg in die Tiefe der langen und schmalen Grundstücke hineingestreckt, verfügen über eine formellere Straßenfassade und werden nach hinten hin landwirtschaftlicher, gärtnerischer, informeller. Das Erscheinungsbild ist jenes einer selbstähnlichen Vielfalt.

Aufgabenstellung

Eines dieser länglichen und vormals bäuerlich genutzten Grundstücke soll für modernes Familienwohnen mit 4 platzsparenden Einheiten neu bebaut werden. Die vorherrschende Neubauform in der Umgebung von Judenau (vorwiegend in Tulln) sind großflächige Siedlungserweiterungen mit sich wiederholenden Reihenhäusern als Wohnungseigentumsanlagen. Unter Berücksichtigung der speziellen Lage im Ortskern und den damit verbundenen Vermarktungschancen musste versucht werden eine speziellere Form zu schaffen, die das Thema Reihenhaus weiterentwickelt und aufwertet. Ausgangspunkt dafür sind 4 sterotypische Reihenhäuser, einer Vorgabe des Bürgermeisters entsprechend mit Satteldächern. 

Konzept der De-Formation!

De-Formation = Abwandlung der stereotypischen Satteldachreihung durch Intervention in die Form: die Geometriepunkte der Häuser (Giebel, Traufe, Fensterachsen, etc.) werden auf jeweils unterschiedliche Art verschoben und deformiert. Varianz, identitätsgebende Unterschiedlichkeit wird erreicht. Verbindende Selbstähnlichkeit, Verwandtschaft bleibt erhalten. Stupide Reihung von gleichen Häusern verwandelt sich in eine „Dachgebirgsform“, welche in der Ebene vor den Alpen liegend einen letzten Wiederhall von Gebirgsform bildend und somit vom Wechsel der Landschaft erzählt.

Umsetzung

Um die ortsübliche lange Bebauungsform zu erhalten wurde landsparend (xm²/Haus) in einer Reihe aneinander gebaut. So wie bei den alten bäuerlichen Ensembles entsteht dadurch eine private nicht einsehbare Gartenseite und eine offene gemeinsame Seite. Für die künftigen Bewohner war es in der Planungsphase möglich im Rahmen gewisser „Freiheitsgrade“ Änderungen für individuelle Bedürfnisse einzubringen. Das Geometriesystem konnte die daraus resultierenden Veränderungen in spielerischer Weise in das Projekt übernehmen. Am Beispiel der Fenster: Auf der Gartenseite sind alle Fenster raumhoch und konnten entlang von Deckenlinien verschoben werden, anstatt eines starren Fensterrasters „schwimmen“ auf der Vorplatzseite Fenster unterschiedlichen Formats frei in den Giebelflächen und können dadurch leicht verändert werden. Zusätzlich zum für Reihenhäuser üblichen Raumprogramm (Essen, Wohnen, Schlafen) verfügen die Häuser über zwei multifunktionale Bereiche: im Erdgeschoss über eine „Werkstatt-Garage“ mit darüber liegender Terrasse (eine Anspielung an die Innovationskraft von als Werkstätten genutzte Garagen) und ganz oben über einen Dachboden mit Terrasse. Die erfolgreiche Vermarktung hat gezeigt dass viele Wohnraumsuchende Angebote die über Standard hinausgehen zur Befriedigung individueller Bedürfnisse suchen. Derzeit werden die „Werkstatt-Garagen“ als Fahrradwerkstatt, Gartenraum und Garage genutzt, die „Dachböden“ als Therapieraum, Private-Spa oder als vom Familienleben entkoppelter großzügiger Elternbereich.