X Architekten

Suburbia, FSK 

Standort: Braunauerstr. 1a, 5230 Mattighofen, OÖ

Auftraggeber: FSB GmbH, Braunau

Planungsbeginn: Oktober 2019

Baubeginn: Juni 2020

Fertigstellung: Jänner 2021

Bauwerksdaten: 154 m2 NF, 590 m2 Grundstücksfläche

Bauweise: Holzriegelbauweise

Bilder: David Birgmann

SUBURBIA, oder was bin ich eigentlich?

eine NormaKirche,

eine WürstelstandVilla,

ein AsphaltBaum,

eine TankstellenApotheke,

eine Urban-Sprawl-Bushaltestelle…

…über die multiple Dialektik eines Bauplatzes.

 

Aufgabenstellung
Das seit vielen Jahren angemietete Geschäftslokal der Fahrschule Kern am Standort in Mattighofen ist in die Jahre gekommen und entsprach den Vorstellungen des innovativen Fahrschulbetreibers in vielerlei Hinsicht nicht mehr. Nach reiflicher Überlegung wurde im, nördlich des Stadtplatz gelegenen, Vorstadtgebiet ein Grundstück angekauft, um ein eigenes Fahrschulgebäude zu errichten. Nachhaltigkeit in Bauweise und Betrieb des Bauwerkes, sowie dessen städtebauliche Setzung und Kontextualisierung standen an oberster Stelle. Ein kompaktes und bis ins Detail durchdachtes Raumprogramm wurde erstellt und konnte bis zur Fertigstellung unverändert durchgezogen werden.

Architektur und Städtebau
Der Bauplatz befindet sich in einer städtebaulich sehr interessanten und gestalterisch sensiblen Schnittstelle zwischen Umland und Stadt. Infrastruktureinrichtungen treffen auf vorstädtische Einkaufsgeschwüre, Ausläufer der Stadtrand-Einfamilienhausstruktur auf Tankstellen, passierende FußgängerInnen auf eine Flut an Autoverkehr, meist zähflüssig, oft im Stau vor den geschlossenen Bahnschranken in der Nachbarschaft wartend. Am südlich gelegenen Schlossberg überblickt die Stadtkirche die Szenerie, eine Bushaltestelle teilt sich den Kreuzungsbereich vor der Fahrschule mit einem Apothekenhaus in Schönbrunngelb – die benachbarte Gründerzeitvilla nimmt`s gelassen. Der „Pop-Up-Imbisskontainer“ am zuasphaltierten Kundenparkplatz des Lebensmitteldiskonters im Norden rundet das Vorstadtschauspiel ab.
Here we are. Dieser „Clash-of-Bauunkultur“ fordert eine klare städtebauliche Antwort. Ein schlichter, im Grundriss quadratischer, zweigeschossiger Baukörper wird völlig frei mitten auf dem Bauplatz platziert, sein oberes Ende in einer diagonal verlaufenden Schräge abgeschnitten. Diese zu 100% Richtung Süden geneigte Dachfläche mit einer Neigung von 20 Grad wird vollflächig, bündig mit der darunter liegenden Attikaaussenkante, mit PV-Modulen verkleidete. That`s it. Die gesamte restliche Grundstückfläche wird auf allen vier Seiten als Kiesfläche ausgeführt, lädt zum Nähertreten und Verweilen ein. Das Gebäude, mit seiner beschichteten, metallisch grauen Wellblechfassade steht quasi völlig nackt im Stadtraum. Als gestalterischer „Neutralisator“ entzieht es sich zum einen jeglicher Kontextualisierung zur heterogenen Umgebung – geht keine Liaisonen ein, versucht aber auch nicht sich vom Vorhandenen abzukehren, ist einfach da. Zum anderen vermag das Gebäude über seinen reduzierten Baukörper mit dem steil ansteigenden, rautenförmigen Dach und seine schlichte Außenhaut jedoch jederzeit in einen spannenden Dialog mit jedem einzelnen seiner unterschiedlichen Nachbaren zu treten. Immer wieder tauchen fraktale Verwandtschaften auf. Sei es die metallische Erscheinung der Bushaltestelle, seien es die emporragenden Gebäudeteile der Kirche und der gegenüberliegenden Villa oder der Blechhüttencharme der Imbissbude am Parkplatz nebenan. In dieser Dialektik steht es da, schielt mit einem weit aufgerissenen Auge auf PassantInnen, grüßt die tausenden FührerscheinbesitzerInnen und gewährt im Gegenzug unter der hochgezogenen Augenbraue tiefe Einblicke ins Gebäudeinnere.

Konzeption und Organisation
Das Grundrisskonzept greift den Wunsch des Bauherren nach größtmöglicher Transparenz zum Straßenraum hin auf und öffnet über ein großes Schaufenster die von den SchülerInnen am meisten frequentierten Bereiche – das Foyer im EG und den Vortragssaal im OG – zum Stadtraum um das rege Treiben auch nach außen sichtbar zu machen. Ein kleines, vollkommen verglastes Büro empfängt die SchülerInnen mit offenen Armen und gibt bereits beim Eintritt maximale Orientierung. WCs sowie Technik und Lagermöglichkeiten werden im hinteren Bereich des EG angeordnet. Der stützenfreie Vortragssaal im OG wird von der schrägen Dachuntersicht dominiert. Die Untersicht bestehend aus durch Holzbalken getragene BSP-Platten – alles in Sichtholz – spannt sich in einer harfenähnlichen Struktur vom südlichen Tiefpunkt, mit einer verbleibenden Raumhöhe von rund 2,3 Meter, hin zu seinem Hochpunkt im Norden der eine Raumhöhe von stolzen 6,5 Metern. Drei große Fassadenöffnungen fangen über den Tagesverlauf verschiedene Lichtsituationen ein und regen zur Kommunikation mit dem Stadtraum an.

Konstruktion und Material
Der reine Holzbau ruht auf einer monolithischen STB-Platte die zugleich als fertiger Fußboden dient und die Fußbodenheizung/Kühlung integriert hat. Die Wände wurden aus vorgefertigten Holz-Riegelelementen angeliefert und das Dach in Mischbauweise aus Holzbalken und Brettsperrholzplatten errichtet.
Die Fassade wurde mit beschichteten, metallisch grauen, vertikal profilierten Wellblechtafeln monolithisch eingehüllt.  Sämtliche Wandoberflächen wurden mit Fichtensperrholzplatten verkleidet, in manchen Bereichen als schallabsorbierende, gelochte Variante ausgeführt. Die Reduktion der verwendeten Materialien auf Beton, Holz und Glas verleihen dem Gebäude eine angenehme Gelassenheit, die zum einen den monolithischen Baukörper betonen und zum anderen einen zurückhaltenden Rahmen für die zeitgemäß anspruchsvolle Möblierung bieten.

Text: David Birgmann, 2021