Standort: Wieselburg, Beethovenstraße 3
Auftraggeber: Stadtquartier Wieselburg Errichtungs-GmbH
Planungsdaten: Direktauftrag 2019, Fertigstellung Winter 2023
BGF: 6.240 m2 – Geschäftslokale, Ordinationen, Wohnungen
Fotos: Gebhard Sengmüller
Text: Andreas Kump + X ARCHITEKTEN
Aufgabenstellung
Ein zentrales, 5.000 m2 großes Grundstück mitten in Wieselburg, an einem Eckpunkt der kurzen Strecke vom Stadtkern zum Bahnhof. Frei geworden durch die Absiedelung eines Werkstadtbetriebes. Ein neues Stadthaus, das „Stadtquartier Wieselburg“ soll hier entstehen; eine Bebauung, die Platz für ein Gesundheitszentrum sowie Handel und Wohnungenbietet. Als kompaktes Gegenstück zum ausgestreuten Baulandverbrauch an den Rändern der Ortschaften. Als verbindendes, belebendes Element an einem viel frequentierten, aber lange brach gelegenen Winkel. Wie lässt sich an dieser neuralgischen Stelle das Selbstverständnis einer auf urbane Qualität achtenden Stadt in eine kombinierte Nutzung und wortwörtlich wegweisende Architektur übertragen? Was braucht es konzeptionell und konkret, damit Privatsphäre und Zugänglichkeit harmonieren?
in der Ausführung
Das L als Grundform des Stadtquartiers ist ob der Lage und Straßenführung so logisch wie ideal. Es ist ein räumliches Gelenk, ein Umleitelement für die wichtigen Fußgängerrouten. Für jene, die von außen kommen fungiert es als Tor und Auftakt für den Kern von Wieselburg. Die mit vier Etagen selbstbewusste Gebäudehöhe setzt mit seinem Volumen den erforderlichen Akzent. Entsprechend ihrer Nutzung stapeln sich die unterschiedlichen Bereiche platz- und baulandsparend folgerichtig übereinander.
Stapeln ja, aber wie?
Im Erdgeschoß flexibel teilbare Geschäftsflächen, darüber das Gesundheitszentrum mit zehn Ordinationen auf 1.500 m² Fläche, getoppt von zwei dem Wohnen vorbehaltenen Obergeschoßen. Im Keller die Parkplätze und am Dach die Energieplantage aus Photovoltaik Elementen. 6 Ebenen sind es im Gesamten. Die unteren beiden Geschosse sind typische urbane Sockelgeschosse, programmatisch nach außen offen, kommunizieren mit der Stadt. Die Wohngeschosse sind zur Straße abgeschirmt und zum Hof hin offen. Der Stapel wird gestalterisch zu „zwei-mal-zwei“ zusammengefasst. Ein gläserner zur Straße orientierter Sockel aus zwei Geschossen, darüber das Wohnen aus zwei Geschossen.
Der Baulandverbrauch konnte um 80% verringert werden.
Der Store
Was ist im Wohnen das Pendant zum verglasten Geschäftslokal? Was ist an Öffnungen von Wohnräumen zur Straße typischerweise zu finden, was kann man ausleihen, neu interpretieren? Den Store! Damit der private Wohnbereich auch privat bleibt, aber keinen Sonnenstrahl einbüßt, fällt straßenseitig ein Vorhang, ein durchscheinender Store, über die Fassade der Obergeschoße. Die zwei Etagen werden so zu einer Einheit und bekommen durch die nicht vollständig geschlossene Anordnung der einzelnen Store-Elemente eine Leichtigkeit. Wie zum nach außen Hindurchschauen sind sie unsymmetrisch zur Seite gezogen, geben den zu den Wohnungen führenden, dahinterliegenden Laubengängen Rhythmus. Als ideales Material für die Store- und Flächenwirkung wird perforiertes Trapezblech verwendet, in seiner Wellung dem Faltenwurf von Vorhängen gleich. Ein neuer Curtain-Wall mit Anlehnung an den traditionellen Store. Die hofseitige, nach Süden ausgerichtete Fassade der Obergeschoße wird wiederum von einem strukturgebenden Balkongerüst geprägt.
Wohin Planung führt
Der öffentliche Gehweg zwischen Stadtkern und Bahnhof / Busbahnhof führt direkt am gewerblich bespielten Sockel entlang, was gleich mehreren Effekten dient: Zum einen wurden damit neue Einkaufsmöglichkeiten geschaffen. Zum anderen beleuchtet ein horizontales Band an der Sockeloberkante den Gehweg zum Bahnhof. Integriert ist auch gleich der Witterungsschutz. Die Laubengänge in den Obergeschoßen kragen über dem Sockel 1,5 Meter aus, schirmen den Weg ab, fungieren wie bei einem Arkadengang. Außen dockt die Wegführung im neuen Stadtquartier an das öffentliche Wegsystem an, wobei das Gesundheitszentrum im ersten Obergeschoß per Lift und offenem Treppenhaus vom Gehsteig straßenseitig erschlossen ist. Problemlose Erreichbarkeit und verständliche Wegleitung gehen innen zusammen. Ein durchgehbares Gebäude war das Ziel – mit drei unterschiedlich ausgeführten Treppenhäusern und überlegter Anordnung der teils auch bodenmarkierten Wege ist es ein solches geworden. Ein Walk-through Gebäude, Architektur als Wegestruktur.
Das Fußwegnetz konnte um 400% erweitert werden.
Das bezieht auch den offenen Innenhof mit ein, wo es nicht nur Gärten gibt, sondern auch einen Gastgarten für die zum Stadtquartier gehörende Gastronomie.
Konstruktion und Tragwerk – flexible Nachhaltigkeit
Bei der Entwicklung des Gebäudes wurde auf eine gute Effizienz in der Errichtung, als Voraussetzung für leistbare Kosten für die Nutzer wertgelegt. Es wurde ein Achsraster entwickelt, welches in der Lage ist, sämtliche Funktionen (Wohnen, Ärzte, Gewerbe, Tiefgarage) aufzunehmen und die nötige Flexibilität im Sockelgeschoss ermöglicht. Stützen und tragende Wände stehen konsequent übereinander.
Energieverbrauch
Die Photovoltaikbauweise, die kompakte Anordnung und die fußläufigen Wege führen zu einem deutlich geringeren Energieverbrauch.